Der Schatz an Erfahrungen im Homeoffice ist unfreiwillig sprunghaft größer geworden. Für die Einen war das höchste Zeit, für die Anderen eine Qual. Aber die positiven Auswirkungen haben gezeigt, wir sollten mutig über unsere Arbeitswelt nachdenken.
Vermutlich wird man sich Rückblickend an Sätze erinnern wie „Sie müssen das Mikrophon einschalten, wie teilt man hier den Bildschirm, ist jemand da?“ Man wird von Kindern erzählen, die nur auf Mamas oder Papas Schoß wollten und es so in wichtige Termine geschafft haben und Anekdoten werden entstehen, damals, diese eine Videokonferenz, wo man aufgestanden ist und vergessen hat, dass man zum Hemd noch die Schlafanzughose trägt. Nein, es läuft nicht ganz rund. Es ruckeln die Bilder, Worte gehen verloren, man spricht durcheinander, weil der Blickkontakt fehlt. Und die technische Seite ist nicht die einzige, die es zu hinterfragen gilt. Was macht es mit uns, wenn wir nicht mehr im sozialen Gefüge arbeiten? Einsamkeit oder konzentrierteres Arbeiten? Endliche Ruhe oder Inspirations- und Antriebslosigkeit? Die, nennen wir es mal großflächige Einführung des Homeoffice, war keine Entwicklung, kein gesundes Wachsen begleitet von Optimierungen, sondern ein unfreiwilliges Experiment. Plötzlich war Homeoffice nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern die einzige Möglichkeit. Aber welche Schlüsse ziehen wir aus diesem Experiment?
Unzweifelhaft, auch wenn es viele als belastend empfunden haben, bringt Homeoffice in vielen Bereichen Entlastung. Weniger Berufsverkehr, keine Staus, mehr Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln, höhere Lebensqualität in den Städten, weniger Stress für Pendlerinnen und Pendler, Flexibilität in der Organisation des Familienlebens. Es lohnt sich also, Arbeit neu zu denken, zu entkoppeln von der Vorstellung, dass immer alle in einem festen Zeitraum an einem bestimmten Ort sein müssen. Wir sollten die Chancen sehen, darüber nachdenken, wie Homeoffice sein kann, wenn wir technische und strukturelle Möglichkeiten ausschöpfen – und natürlich, wenn Kitas, Kindergärten und Schulen geöffnet sind und unser soziales Leben nicht bereits durch Kontaktsperren eingeschränkt ist.
Natürlich müssen wir die ja vorhandenen digitalen Kommunikationskanäle besser nutzbar machen. Schnelleres Internet, stabilere Verbindung und eine gute Ton- und Bildqualität sind lösbare Aufgaben und werden im Rahmen von Konjunkturpaketen nun vermutlich sogar deutlich schneller angegangen, als das unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Aber die Zukunft hat mehr zu bieten. Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality unter Verwendung entsprechender Brillen öffnen andere Welten als herkömmliche Videokonferenzen. Schon jetzt können dadurch beispielsweise Arbeitsmittel und 3D-Modelle in Meetings integriert oder Arbeitsschritte am Objekt erklärt werden – und es wird auch gelingen, mit virtuellen Konferenzräumen näher an reale Meetings heranzurücken. Aber auch wenn sich digital ein stärkeres Miteinander abbilden lässt, wenn ein besseres Gefühl für Gesten und Mimik der Gesprächspartner spürbar wird – ein echtes Schulterklopfen wird es nicht geben, und es bringt auch niemand Kuchen mit. Ob das menschliche Bedürfnis nach sozialem Austausch während der Arbeit so erfüllt werden kann, bleibt fraglich.
Aber gibt es nicht auch noch etwas zwischen Homeoffice und Büro beim Arbeitgeber? Schon jetzt halten einige große Unternehmen nicht mehr für alle Mitarbeiter Arbeitsplätze bereit, in der Annahme, dass sowieso immer einige im Urlaub sind, oder krank. Macht und denkt man das noch konsequenter, könnte man hier viel Bürofläche und Ressourcen einsparen – oder freigeben, für Mitarbeiter anderer Firmen, die einen Arbeitsplatz in der Nähe suchen. Das man Privates und Berufliches trennt, in der Pause gerne mit echten Menschen Kaffee trinkt oder einfach mal kurz jemanden um Rat fragen möchte, ist mehr als verständlich. Diese menschlichen Bedürfnisse kann aber auch eine Arbeitswelt abfangen, die sich nicht nach Arbeitgeber sortiert, sondern auf kurze Wege ausgerichtet ist, Büroinfrastrukturen lokal schafft, ausgestattet mit schnellem Internet, Drucker, Kopierer und was man sonst im Homeoffice vermissen würde. Hinzukommen professionell ausgestatte, hochmoderne Konferenzräume und Kommunikationszellen für digitale Meetings und Treffen. Sozusagen ein Virtual Reality Umfeld, das man buchen und nutzen kann, auf hohem technischem Niveau, wie man es zuhause nicht erreicht, und vom Prinzip und der Nutzerfreundlichkeit her so einfach wie Telefonzellen. Perfekte Büros, dort wo man sie braucht und solange wie man sie braucht. Die Ressourcen, die ein Unternehmen einspart, weil es weniger Arbeitsplätze selbst bereitstellen muss, könnten dieser freieren Büro-Infrastruktur zugutekommen und intelligente Apps unterstützen die sinnvolle Nutzung und Auslastung.
Das Potenzial von Homeoffice ist groß, die technischen Möglichkeiten sind längst nicht erschlossen, strukturelle Konzepte stecken in den Kinderschuhen. Die Zeit wird zeigen, wieviel Homeoffice bleibt, denn ein tatsächliches Treffen ist die schönere Begegnung – und wer sich dafür Zeit nimmt, aufeinander eingeht und Themen ausführlich bespricht, der versteht sich dann auch bei den digitalen Meetings besser.
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